Gewerbesteuerlich „verlorener“ Aufwand für Vorbereitungen vor dem Auftreten im Markt
Die Gewerbesteuer als Objektsteuer ist ein vor allem in Rezessions- und individuellen Verlustphasen eines Unternehmens ausgesprochen schädliches, weil substanzverzehrendes steuerliches Relikt. Die Rechtsprechung des BFH verschärft dies, wie u.a. zwei neuere Entscheidungen zeigen.
Der für gewerbesteuerlichen Aufwand laut BFH maßgebliche Beginn des Gewerbebetriebs
Im dem Urteil des BFH vom 1.9.2022 – IV 13/20 – zu Grunde liegenden Fall stand die Verlustfeststellung gemäß § 10a GewStG in Streit. Die Klägerin, eine KG, hatte ihre Geschäftstätigkeit im Wirtschaftsjahr 2011/2012 durch die Emission von Genussrechten vorbereitet. Dafür waren Kosten in Höhe von ca. 1,8 Millionen € angefallen. Das Finanzamt hatte die Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbeverlustes (§ 10a GewStG) in entsprechender Höhe für dieses Wirtschaftsjahr abgelehnt, das FG Sachsen-Anhalt hatte sie bejaht.
Der 4. Senat stellte die ablehnende Entscheidung des Finanzamts wieder her. Bei einem auf Handel mit Grundstücken ausgerichteten Unternehmer beginne die werbende Tätigkeit erst, wenn der Unternehmer seine Leistungen im Markt anbiete. Das sei frühestens mit Anschaffung der ersten Immobilie, d.h. mit dem wirksamen Abschluss eines entsprechenden notariellen Kaufvertrages, der Fall gewesen. Erst hierdurch werde der Unternehmer in die Lage versetzt, seine Leistungen am Markt anzubieten. Nicht entscheidend sei der Beginn des Erwerbsprozesses, sondern dessen erst im Abschluss eines notariellen Kaufvertrages liegendes Ende. Der Senat sprach von einer möglichen, sachlich nicht gerechtfertigten Vorverlagerung des Beginns der Gewerbesteuerpflicht und erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Bestimmung des konkreten Zeitpunkts der Aufnahme der werbenden Tätigkeit, wenn man diese beim Grundstückshändler bereits mit der mehr oder weniger ernsthaften Suche nach geeigneten Objekten beginnen ließe.
Tatsächlich hätte die KG ohne dass eingeworbene Kapital wohl die Grundstücke nicht erwerben können. Am 31. Mai 2012 hatte das Wirtschaftsjahr geendet. Schon im Juni 2012 hatte die KG mit Mehrfamilienhäusern bebaute Grundstücke notariell erworben, wobei sie diesen Erwerb im vorherigen Wirtschaftsjahr vorbereitet hatte. Das beauftragte Maklerbüro hatte bereits im Mai 2012 ein Immobilien-Exposé zur Verfügung gestellt. Die Grundstücke wurden im 1. Halbjahr 2014 wieder veräußert, also in einem engen Zeitfenster, das nur bei guter Vorbereitung der Geschäfte möglich erschien.
Nicht weniger restriktiv entschied der 10. Senat des BFH in seinem Urteil vom 30.8.2022 – X R 17/21. Die Kläger und Revisionsbeklagte hatte ab 1.12.2017 einen Imbiss einschließlich Inventar von der bisherigen Betreiberin (zugleich Eigentümerin der Immobilie) gepachtet. Im Dezember 2017 hatte er die Räume renoviert und den Imbiss geschlossen und im Januar 2018 wiedereröffnet. Den Verlust des Jahres 2017 einschließlich des seit Übernahme des Gewerbebetriebs infolge der Renovierung entstanden Aufwands erkannte das Finanzamt nicht an und setzte für dieses Jahr den Gewerbesteuermessbetrag, den Gewinn aus Gewerbebetrieb und den Gewerbeertrag auf 0 € fest. Der Kläger trug vor, er habe sich schon durch die Kontaktaufnahme zur Marketingagentur vor Juli 2017, durch den Abschluss des Pachtvertrages im August 2017 und durch verschiedene weitere Tätigkeiten am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt und jedenfalls am 1. Dezember 2017 den bestehenden Gewerbebetrieb übernommen. Die Gewerbesteuerpflicht des Verpächters sei damit erloschen und die als Pächter habe begonnen. Es habe lediglich eine unbeachtliche Unterbrechung des laufenden Betriebs für einen Monat vorgelegen. Das FG Rheinland-Pfalz hatte der Klage insoweit stattgegeben, als es die seit 1.12.2017 entstandenen Verluste dem Gewerbesteuermessbetrag zugrunde gelegt hatte.
Das lehnte der 10. Senat des BFH ab. Unter Zitieren einer Vielzahl von Entscheidungen verlangt er für die Annahme eines Gewerbebetriebs im gewerbesteuerrechtlichen Sinn auch beim Erwerb eines Gewerbebetriebs (§ 2 Abs. 5 GewStG) das Vorliegen sämtlicher Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG. Aufwendungen und Erträge, die vor dem Zeitpunkt anfielen, zu dem erstmals sämtliche Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift erfüllt würden, insbesondere vor Beginn der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, seien für Einzelunternehmen und Personengesellschaften gewerbesteuerrechtlich nicht zu berücksichtigen. Es fehle an einem tauglichen Steuergegenstand. U.a. für Kapitalgesellschaften, für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe sonstiger juristischer Personen des privaten Rechts und für Unternehmen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, gelte aufgrund der Sonderregelungen § 2 Abs. 2, 3 GewStG, § 2 GewStDVO anderes. Dieses Ergebnis folge aus dem Wesen der Gewerbesteuer als einer auf den tätigen Betrieb bezogenen Real-(Sach-)Steuer. Es komme auf die sachliche Steuerpflicht des Steuerobjekts an, die in dem Zeitpunkt beginne, in dem der Betrieb in Gang gesetzt worden sei.
Einen zeitlich unterschiedlichen Betriebsbeginn bei der Gewerbesteuer und bei der Ertragsteuer nahm also auch der 10. Senat bewusst in Kauf. Im konkreten Fall nahm er den gewerbesteuerlichen Betriebsbeginn erst mit Eröffnung des Imbisses für die Kundschaft im Januar 2018 als Gegenstand des Gewerbesteuerrechts an und bezeichnete alles davor als bloße Vorbereitungshandlungen. Geschäfte, die ausschließlich auf der Erwerbs- und nicht auf der Absatzseite getätigt würden, führten nicht zu einer Teilnahme am Marktgeschehen und nicht zur Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Auch aus § 2 Abs. 5 GewStG leitete der Senat im konkreten Fall kein anderes Ergebnis ab.
Würdigung
Die Konsequenz dieser Entscheidungen bedeutet für alle Einzelunternehmer und Personengesellschaften, die ihre Geschäfte erst nach einer gewissen Vorbereitungszeit beginnen können: Die bis dahin anfallenden Verluste bleiben gewerbesteuerrechtlich außer Ansatz, sind also „verloren“. Der unterschiedliche Steuergegenstand der Ertragsteuern und der Gewerbesteuer rechtfertigt das u.E. nicht. Die Begründungen der beiden Senate vermögen nicht zu überzeugen. Weder der Wortlaut noch der Sinn des Gewerbesteuergesetzes erfordern, den Beginn des Gewerbebetriebs i.S.d. § 2 GewStG abweichend vom Ertragsteuerrecht so zu definieren, dass notwendige Vorbereitungshandlungen nicht darunterfallen. Bekanntlich lautet Abs. 1 dieser Vorschrift: „… jeder stehende Gewerbebetrieb, sobald er im Inland betrieben wird.“ Bei Heranziehung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Prinzips der steuerlichen Leistungsfähigkeit steht dieser Wortlaut einer Interpretation, die den Aufwand vor Beginn der nach außen sichtbaren Geschäftstätigkeit für die Gewerbesteuer unberücksichtigt lässt, nicht entgegen. Sie ist im Gegenteil sogar gefordert. Schließlich gibt es kaum einen Gewerbebetrieb, mit dem der Unternehmer ohne zu Anlaufverlusten führendem Aufwand sofort starten kann. Trotz aller Bemühungen vermögen beide Senate des BFH nicht stimmig zu begründen, warum im Fall des Immobilienentwicklungsunternehmens der Betriebsbeginn erst mit dem notariellen Kaufvertragsabschluss stattfinden soll und beim Unternehmenskauf erst mit dem Warenverkauf an Kunden des Imbissstandes. Hätte im erstgenannten Fall der Unternehmer eine Bankfinanzierung bekommen, dann hätte er die Immobilie im abgelaufenen Wirtschaftsjahr erwerben können. Hätte er zur Ablösung der Bankfinanzierung Genussrechten emittiert, so wären die dafür aufzuwendenden Kosten im laufenden Geschäftsbetrieb angefallen und gewerbesteuerlich abzugsfähig gewesen. Unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes in der besonderen Form der Ausprägung in Gestalt des Leistungsfähigkeitsprinzips ist eine solche Differenzierung nicht zu rechtfertigen und u.E. verfassungswidrig.
Auch im zweiten Fall hätte der Unternehmer seine Renovierungskosten und den weiteren Aufwand gewerbesteuerlich ansetzen dürfen, wenn er den Imbissstand nahtlos weiter betrieben und die Renovierung danach, auch mit einer gewissen Betriebsunterbrechung, vorgenommen hätte. Auch dieser Unterschied ist verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Besonders deutlich wird die Fragwürdigkeit der Differenzierung durch den Hinweis des 10. Senats auf die unterschiedliche Handhabung des Beginns bei den von ihm erwähnten Gewerbebetrieben zum Beispiel der Kapitalgesellschaften. Diese gesetzliche Formulierung darf u.E. nicht herangezogen werden, um Einzelunternehmen und Personengesellschaften schlechter zu stellen.
Fazit
In vielen Fällen werden Unternehmen keine Gestaltungsmöglichkeiten haben, die diese nachteilige Rechtsprechung vermeiden; denn muss Geld im Kapitalmarkt eingesammelt werden, so erfordern das eine z.T. erhebliche Vorlaufzeit, vor allem wenn ein Prospekt erstellt werden muss. Auch bei vielen anderen Unternehmen ist mitunter eine lange Vorlaufzeit erforderlich. Wo immer die Möglichkeit besteht, mit dem Gewerbebetrieb, und sei es etwa bei Immobilienprojektentwicklung mit einem noch so kleinen Grundstück, zu beginnen, empfiehlt sich, dieses mit notariellem Kaufvertrag zu erwerben und dann erst das übrige Geschäft anlaufen zu lassen. Bei einem Unternehmenskauf müsste der Erwerber zur Vermeidung dieser Rechtsprechung möglchst den bisherigen Gewerbebetrieb fortsetzen und Aufwand erst danach anfallen lassen. Der vorliegende Fall zeigt allerdings, dass das wirtschaftlich nicht möglich ist, wenn der Erwerber sein eigenes Betriebskonzept verwirklichen und zu diesem Zweck den Betrieb renovieren oder umgestalten muss.
Die Gewerbesteuer ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Anders als in Österreich, hatte der deutsche Gesetzgeber nicht die Kraft, sie abzuschaffen und etwa durch einen der Höhe nach von den Gemeinden festzusetzenden Zuschlag auf die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer zu ersetzen. Da die Kommunalpolitiker auf allen Parteitagen der großen politischen Parteien die Mehrheit der Delegierten stellen, riskiert ein Politiker, der für die überfällige Abschaffung der Gewerbesteuer plädiert, sofort, sein Parteimandat zu verlieren. Also bleibt dieses Steuerrelikt mit seiner substanzverzehrenden Wirkung erhalten. Die aufgezeigte Rechtsprechung des BFH, die keinesfalls überraschend ist, sollte den Gesetzgeber aber wenigstens dazu bewegen, den Beginn des Gewerbebetriebs auch für die Gewerbesteuer gesetzlich klar festzulegen. Die Vorbereitungstätigkeit gehört dazu. Gestaltungsmissbrauch, den der 4. Senat zu befürchten scheint, ist fernliegend; denn der betriebliche Zusammenhang bestimmter Aufwendungen und Ausgaben lässt sich für die Gewerbesteuer in gleicher Weise wie für die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer feststellen. Warum, so unsere Frage, mussten die beiden Senate des BFH eine ohnehin schlechte und für viele Unternehmen schädliche Steuer in einem wesentlichen Bereich für Unternehmensgründer noch verschlechtern?
RA, StB Prof. Dr. jur. habil. Karl-Georg Loritz,
RA, FAfStR, StB, vBP Dr. jur. Franz-Joachim Sessig